Brühler Arbeitsgemeinschaft: Klimaschutz gelingt nur gemeinsam

Natürlich markiert die Auftaktveranstaltung für die Brühler Arbeitsgemeinschaft Klimaschutz nun nicht die große Weggabelung, ab der im Kampf gegen die allgemeine Erwärmung alles besser wird. Die 40 Bürger, die dabei waren, sind ein ermutigendes Signal.

Brühl. Natürlich markiert die Auftaktveranstaltung für die Brühler Arbeitsgemeinschaft Klimaschutz nun nicht die große Weggabelung, ab der im Kampf gegen die allgemeine Erwärmung alles besser wird. Aber die rund 40 Bürger, die sich im Rathaus versammelten, um gemeinsam Maßnahmen zum Schutz des Klimas zu lancieren, waren in den Augen von Peter Kolbe von der Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur in Heidelberg (KLiBA) und Bürgermeister Dr. Ralf Göck ein enorm ermutigendes Signal. Klimaschutz, das machte Kolbe zu Beginn der Veranstaltung deutlich, gelingt gemeinsam oder gar nicht.

Dass das keine Phrase ist, wurde mit dem Impulsvortrag des KLiBA-Mannes schnell klar. Die Dekarbonisierung des Landes, also der Abschied vom fossilen Zeitalter, wird zu einem „gigantischen Kraftakt für alle“. Was nicht einen Moment übertrieben ist. Wenn Deutschland sich im Jahr 2010 auf den Weg gemacht hätte, wären jährliche CO2-Emissionseinsparungen von 3,3 Prozent ausreichend gewesen, um bis 2050 auf Netto-Null zu kommen. Leider seien die CO2-Emissionen in diesen zehn Jahren jedoch gestiegen, sodass nun schon Jahr für Jahr 7,6 Prozent aller CO2-Emissionen eingespart werden müssten.

„Und wenn wir bis 2025 warten, müssen wir pro Jahr 15,4 Prozent aller CO2-Emissionen verhindern.“ Letzteres sei kaum zu schaffen. Nur zur Einordnung, im Corona-Jahr 2020 mit seinen massiven Einschränkungen gelang im Vergleich zu 2019 laut dem Umweltbundesamt bei den CO2-Emissionen ein Minus von 4,5 Prozent. Es sind Zahlen, die nicht wirklich glücklich machten. Auch weil es da nichts zu verhandeln gebe. „Das ist Physik.“ Mehr CO2 in der Atmosphäre bedeutet mehr Wärme im Klimasystem. Trotzdem sieht Kolbe die Zukunft nicht düster. Noch hätten es die Menschen in der Hand und solange das so ist, gibt es Hoffnung. Entscheidend wird sein, wie sehr das Bewusstsein das Alltagsverhalten präge. Es sei beispielsweise schwierig zu sehen, dass Lichter dank LED immer effektiver würden, sich die Menschen zugleich aber immer mehr davon beschafften.

Von Dachrinnen über Bäume bis zum Balkongeländer gebe es immer mehr Lichterketten, die den Effizienzgewinn zunichtemachten. Ähnliches gibt es auch in der Automobilbranche. Die Automotoren wurden effizienter, aber zugleich wurden die Wagen immer größer und schwerer, was das theoretische Minus beim Spritverbrauch in ein praktisches Plus verwandelte. In der Wissenschaft spricht man vom Rebound-Effekt. Es sind Beispiele, die aber auch klarmachten, dass es Wege aus dem Dilemma gibt.

Als Ausweg diskreditiert hat sich übrigens der Weg über die Kompensation. Die Rechnung, Bäume pflanzen, um den CO2-Fussabdruck des Fliegens zu kompensieren, geht nicht mehr auf. Dafür sei das Problem mittlerweile einfach zu groß. Anders formuliert, die Rechnung gehe nur noch auf, wenn Bäume gepflanzt werden und auf den Flug verzichtet wird. Als drastisches Beispiel für die Kompensationslogik führte Kolbe einen Gedanken von Pabst Franziskus ins Feld. Dieser habe gesagt, dass für das Fliegen Bäume pflanzen einer Logik folge, als würden Rüstungsunternehmen Kinderkrankenhäuser bauen, um spätere Schäden auszugleichen.

Ausbau des ÖPNV und Walkingbus

Es war schwerer Tobak, den Kolbe hier voranstellte. Doch er schien die Menschen damit nicht zu desillusionieren. Im Gegenteil, gingen sie doch mit einem beachtlichen Niveau an Engagement in die Arbeitsgruppen und entwickelten Ideen, wie die CO2-Emissionen in den Bereichen Mobilität, erneuerbare Energien sowie Nachhaltigkeit und Konsum weiter gesenkt werden könnten.

Im Bereich Mobilität ging es um den Ausbau des ÖPNV und des Fahrradwegenetzes. Für den Weg zur Schule würde ein sogenannter Walking-Bus für weniger Verkehr sorgen. Ganz wichtig war für die Teilnehmer, dass der Ausbau der Photovoltaikanlagen auf den Dächern Brühls vorankomme. Begrüßt wurde, dass es in Baden-Württemberg für Neubauten eine Photovoltaikanlagen-Pflicht gebe. Und ab dem kommenden Jahr gelte sie auch schon im Zuge von Dachsanierungen. Vielleicht, so eine Idee, könne die Gemeinde Dächer anmieten, um PV-Anlagen zu installieren. Auch eine Bürgerorganisation für den PV-Ausbau sei vorstellbar.

Weitere Punkte waren ein Reparatur-Café, das der Wegwerfgesellschaft Paroli böte, eine Liste für das regionale und nachhaltige Einkaufen und Flohmärkte. Vorgärten sollten wieder zu grünen Oasen werden. Eine schöne Idee war die Auslobung eines Preises für den insektenfreundlichsten Garten. Auch Schüler, die zehn- oder 20-mal zu Fuß oder per Rad in die Schule kämen, könnten ein Preis in Form eines Tickets für das Frei- oder Hallenbad bekommen. Und vor allem müsse das noch mehr über sämtliche Kanäle kommuniziert werden.

Es seien, so Kolbe, viele klein anmutende Schritte. Aber zusammen ergäben sie eine beachtliche Schrittweite. Wenn es nach Plan läuft, treffen sich die Gruppen öfter, knüpfen ein engmaschiges Netz für den Klimaschutz in Brühl und bringen die Maßnahmen gemeinsam mit der Verwaltung zur Umsetzung. Die Bereitschaft scheint vorhanden zu sein.

© Schwetzinger Zeitung | 7. Mai 2022