E-Autos ziehen im Ehrenhof des Schlosses die Blicke auf sich – der kleine Kerl links ist Sebring-Vanguard Citicar. Man könnte auch sagen: Er ist der Vorgänger von Tesla. © Bauroth
Eine Expertin der KLiBA räumt beim Klimastammtisch am Freitagabend in der Schlosskapelle Schwetzingen mit bestehenden Vorurteilen auf und bricht eine Lanze für elektrische Antriebe.
Es muss etwas passieren. Die Verkehrswende stockt. Diese Meinung vertrat Sonja Grabarczyk, die erste Referentin des Klimastammtisches am Freitagabend im Vorfeld der Ecomobil-Gala an diesem Wochenende. Oder, um es sehr deutlich zu sagen, der Verkehrssektor ist in Sachen CO2-Emissionen „das Sorgenkind“. Anders als die anderen Sektoren seien hier CO2-Einsparbemühungen bisher erfolglos gewesen. Laut Umweltbundesamt sind sie zwischen 1995 und 2019 sogar um rund fünf Prozent gestiegen.
Als ein Grund identifizierte Grabarczyk von der KLiBA bei ihrem Referat in der Schlosskapelle den sogenannten Rebound-Effekt. Die Motoren wurden zwar laufend effizienter und verbrauchten weniger Sprit, zugleich werde aber immer mehr und vor allem immer schwerer gefahren. Trotzdem bleibt das Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Für den Verkehrssektor hieße das, so Grabarczyk, ein Minus von 85 Millionen Tonnen CO2, das entspricht im Vergleich zu 1990 einem Minus von 48 Prozent.

Der Klimastammtisch der Stadt lockt am Freitagabend viele Interessierte in die Schlosskapelle. ©Lenhardt, Bauroth
Um das wirklich zu schaffen, ist in ihren Augen die Elektromobilität unverzichtbar. Dabei trat sie dem Vorwurf, dass Elektroautos gar nicht klimafreundlicher seien, vehement entgegen. Studien, die sie präsentierte, belegten einen klaren Klimavorteil für das Elektroauto. Es müsste sich nur noch viel stärker durchsetzen. Zwar seien die Verkäufe dieser Fahrzeuge klar angestiegen. Mittlerweile seien in Deutschland knapp 1,2 Millionen Elektro- oder Hybrid-Pkw zugelassen. Wie weit der Weg noch ist, macht die Zahl der zugelassenen Verbrenner in Deutschland klar: Es sind 46 Millionen. Und das bei einer Bevölkerung von rund 83 Millionen Menschen.
Deshalb versteht sich die Kliba auch als Beratungsinstitution für Elektromobilität. Dabei ließ sie genau wie ihr Mitreferent Bernhard Bruch vom Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) sowie die Moderatorin Ursula Kloé, geschäftsführende Gesellschafterin von „JU-KNOW“ keinen Zweifel daran, dass die Elektromobilität alltagstauglich sei. Und auch den Ressourcenproblemen trat Grabarczyk selbstbewusst gegenüber. Natürlich gebe es in Sachen Umweltbilanz und auch fairen Arbeitsbedingungen Schwierigkeiten. Aber Wirtschaft und Forschung seien hier auf dem Weg und entwickelten Batterien, die mit deutlich weniger Kobalt oder sogar ganz ohne auskämen. Zugleich gebe es starke Bemühungen, Arbeitsbedingungen anständig zu gestalten und auch die Umweltschäden vor Ort zu minimieren.
Ein Mythos sei es übrigens, dass Batterien nicht recycelt würden. Bei Lithium gebe es Schwierigkeiten, aber bei Kobalt und Nickel gebe es Recyclingquoten von über 90 Prozent. Auch würde das deutsche Stromnetz nicht zusammenbrechen, wenn mehr Elektroautos unterwegs seien. Sogar bei einem Komplettersatz von Verbrennern durch Elektroautos entstünde laut der KLiBA-Mitarbeiterin ein Strombedarf, der aktuell einem Fünftel des gesamten Stromangebots in Deutschland entspräche. Das Elektroauto ist sauberer als der Verbrenner. Die Produktion sei bis dato zwar noch CO2 lastiger als beim Verbrenner. Aber im Betrieb verkehrt sich das anfängliche Minus in ein deutliches Plus.
Eine App, die weiterhilft
Es waren Worte, die mit der Präsentation App „My e-drive“ im Einklang waren. Die App wurde eigens entwickelt, um den Menschen eine virtuelle Elektrofahrt zu ermöglichen. Dabei lernen sie Elektromobilität in all ihren Facetten kennen. Kosten und Reichweiten verschiedener Fahrzeuge werden genau wie individuelles Nutzerverhalten eingearbeitet und dann auf Alltagstauglichkeit geprüft. Fazit. Ein Elektroauto lohnt sich eigentlich immer. Nebenbei zeigt die App dann auch noch die CO2-Einsparungen, was sich am Ende auf nicht wenige doch sehr eindrücklich auswirke. Ja, es sei noch ein weiter Weg. Aber, so der Tenor unter den beiden Referenten, der Moderatorin und den Zuhörern, der Weg müsse angegangen werden – und zwar jetzt. Alles andere führe zu einem Scheitern bei den CO2-Einsparzielen des Verkehrssektors.
© Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung, 3. September 2022