„Die Leute leiden“ Wärmepumpe und Panik-Lösungen

Manche behalten Öl- oder Gaskessel und lassen sich zusätzlich eine Warmwasser-Wärmepumpe einbauen. Foto: C. Barth

Wärmepumpe, Fassaden-Dämmung und Panik-Lösungen: Hausbesitzer sind verunsichert – Was Fachleute dazu sagen

Sinsheim. (cba) Seit vergangenem Jahr, als das Heizgas knapp zu werden drohte, sind die Termine der Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur Heidelberg-Rhein-Neckar-Kreis (KLiBA), die Beratungen anbietet, oft lange im Voraus ausgebucht. Und der Drang, wegzukommen von den fossilen Energieträgern, ist stärker denn je. Doch die Bürger haben damit ihre liebe Not. Fragen rund um den Einbau von Wärmepumpen treiben sie um. Viele sind verärgert und klagen über Druck, der von „ganz oben“ ausgehe, wie der Sinsheimer Heizungsbauer Farhang Mohaghegh mitteilt: „Die Kundschaft ist sauer auf die Regierung.“ Ihm wiederum fehle es am Material und an den Fachkräften. Neue Kunden muss Mohaghegh daher schon seit Langem zurückweisen.

Klaus Keßler, Geschäftsführer der KLiBA Heidelberg, berichtet: Die Änderung des Gebäude-Energiegesetzes habe die Nachfrage nach den Beratungsterminen enorm befeuert. Denn ab Januar 2024 soll möglichst jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Neue Öl- und Gasheizungsanlagen dürfen ab nächstem Jahr nicht mehr eingebaut werden. Es gilt aber eine dreijährige Übergangsfrist, währenddessen noch gebrauchte Geräte installiert werden dürfen, wenn der alte Brenner kaputtgegangen ist.

Weitere Ausnahmen sind in Verhandlung, etwa, dass Personen ab 80 oder ab dem Rentenalter von den Vorgaben nicht betroffen sind. Verena Bentele, Pressesprecherin des VdK Deutschland, teilt mit: „Für viele Pflegebedürftige ist ein Heizungsaustausch unzumutbar.“ Aber Ulrich Koch, Vorsitzender des Vdk Sinsheim, sagt, dass dieses Thema bei den regelmäßigen Treffen der Mitglieder in der Großen Kreisstadt kaum Beachtung findet. Koch ist der Ansicht, die Ausnahmen sollten eher an Einkommensverhältnissen festgemacht werden statt am Alter. Denn auch unter den Jüngeren gebe es viele, die sich einen Heizungstausch nicht leisten können. Das ist auch die Erfahrung von Mohaghegh. „Die Lage ist durcheinander, und die Leute haben kein Geld“, sagt er. Nicht selten erlebt er, dass Öl- oder Gasbrenner hinüber sind, für eine neue Heizungsanlage aber das Geld fehlt. Denn die Inflation drückt aufs Portemonnaie und eine Wärmepumpe ist eine kostspielige Investition, unter 20 000 Euro sei diese nicht zu haben, sagt Mohaghegh und stellt fest: „Die Leute leiden. Die Regierung hat sie in eine schwierige Lage gebracht.“

Zumal es meist nicht beim Austausch der Heizungsanlage bleibt. Die Fassade muss bei einigen älteren Bauten gedämmt werden. Werden dann noch neue Fenster oder neue Heizkörper erforderlich, muss wohl so mancher kapitulieren.

„Man muss aber nicht alles auf einmal machen“, meint Keßler. Er rät dazu, sich gut auf die Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten, schrittweise vorzugehen und einen Plan in der Tasche zu haben: „Wenn die Heizung von heute auf morgen kaputtgeht und man die Adhoc-Lösung braucht, wird es schwierig“, sagt er. Immobilienbesitzer sollten sich daher bei der KLiBA, die Keßler als Orientierungsberatung empfiehlt, kundig machen, sich dann an den Heizungsbauer ihres Vertrauens wenden und einen Berater aus der Energieeffizienz-Expertenliste unter www.energie-effizienz-experten.de hinzuziehen. Dieser hilft dann auch beim Förderantrag. Wie sich die staatliche Unterstützung künftig gestalten wird, ist bislang noch unklar. Auch dies zählt zum „Durcheinander“, von dem Heizungsbauer Mohaghegh spricht.

Von der „Paniklösung“, auf den letzten Drücker noch schnell einen Öl-Brenner einzubauen, hält Keßler nichts. Dies sei nur vordergründig billiger: „Die Energieträger Öl und Gas werden in den nächsten Jahren deutlich teurer werden“, prognostiziert er. Eine funktionierende Öl- oder Gasheizung zu entsorgen, hält er aber gleichwohl für wenig sinnvoll. Er verrät eine Faustregel, mit der überprüft werden kann, wie fit die alte Heizung noch ist: „Wenn am kältesten Tag die Vorlauftemperatur des Heizkessels auf 55 Grad Celsius aufheizt und dabei alle Räume warm werden, dann passt das.“ Falls aber einzelne Räume nicht warm werden, könnten erst einmal einzelne Heizkörper durch größere ersetzt werden. Wer eine Wärmepumpe einbauen möchte, sollte zudem überprüfen, ob die Wärmeverteilung in jedem Heizkörper gleich gut ist.

Alternativen wie Warmwasser-Wärmepumpen als Ergänzung zur konventionellen Heizung, Solarthermie oder eine Hybrid-Lösung, bei der Wärmepumpe und Öl- oder Gaskessel eingesetzt werden, böten sich ebenfalls an.

Info: Die KLiBA-Beratung im Sinsheimer Rathaus findet alle 14 Tage von 14 bis 16 Uhr statt. Termine können unter Telefon 06221 998750 vereinbart werden. Mitbringen sollte man die Jahresabrechnung für Strom und Gas oder Öl, das Schornsteinfeger-Protokoll und, falls vorhanden, Baupläne.

RNZ, 06.06.23, Sinsheimer Nachrichten