Erste Schritte zum Klimaschutzkonzept

Viele Besucher zählte der Auftaktabend zum Klimaschutzkonzept Sandhausens. Foto: he

Sandhausen. Jetzt macht sich auch Sandhausen auf den Weg und entwickelt ein eigenes Klimaschutzkonzept. An der öffentlichen Auftaktveranstaltung, die über drei Stunden dauerte, nahmen 65 Personen engagiert teil (siehe auch weiterer Artikel).

Die Fußabdrücke auf dem Boden wiesen den Weg zum persönlichen Klima-Beitrag. Mit jedem Schritt konnten die Teilnehmenden in den Kategorien Konsum, Ernährung, Energie und Mobilität testen, inwieweit sie mit ihrem Lebensstil zur Erderwärmung beitragen.

Bürgermeister Hakan Günes kündigte an, dass dreimal jährlich eine Klimawerkstatt stattfinden soll. „Wir wollen den Prozess transparent gestalten und die Bevölkerung mitnehmen“, betonte er: „Die Ideen müssen bearbeitet und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden.“ Als aktuelle Projekte nannte Günes die kommunale Wärmeplanung, die Sandhausen auf freiwilliger Basis zusammen mit Leimen und Nußloch angeht. Im Rahmen einer Potenzialanalyse werde auch die Möglichkeit der Wärmegewinnung aus der Kläranlage des Abwasserzweckverbandes untersucht. Dort soll zudem eine Photovoltaikanlage installiert werden. Das Förderprogramm für Balkon-Solarmodule werde gut angenommen, 79 Anträgen seien es derzeit.

Peter Kolbe von der Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur Heidelberg (Kliba) erläuterte den Stand der Wissenschaft. Im aktuellen Bericht des Weltklimarates von März 2023 warnten die Wissenschaftler eindringlich davor, das 1,5-Grad-Ziel von Paris aufzugeben. Wichtig sei, zwischen globalem und lokalem Temperaturanstieg zu unterscheiden. „Viele Landgebiete erwärmen sich doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. In Deutschland sind wir schon bei 2,3 Grad Erwärmung angelangt.“ Oft werde Klima- und Artenschutz einander gegenübergestellt, dabei beschleunige der Klimawandel bereits heute das Artensterben. Beim Klimaschutz gehe es um weit mehr als um das Klima. „Alles was uns wichtig und teuer ist, steht auf dem Spiel!“

Mit einer „Ergänzung“ meldete sich ein Teilnehmer zu Wort: Er nannte die Kleine Eiszeit und den Einfluss der Sonnenaktivität und stellte die Darstellung Kolbes als „Alarmismus“ in Frage. Daraufhin gab es Zwischenrufe und vereinzelten Applaus, woraufhin Bürgermeister Günes Partei ergriff: „Wenn hier jemand seine Auffassung vertritt, ist das in Ordnung.“ Kolbe dankte dem Bürgermeister für die Bemerkung, dass es sich um eine Meinung handle und stellte klar: Nur ein Prozent der Wissenschaftler bezweifle die Zahlen des Weltklimarates.

Klimaschutzmanagerin Teresa Schlemmer stellte die Energie- und Treibhausgas-Bilanz der Kliba für Sandhausen vor. Von 2010 bis 2019 zeigten sich in der Höhe der Gesamt-Emissionen lediglich kleine Schwankungen. Einem Rückgang bei den privaten Haushalten stehe ein Anstieg bei „Gewerbe und Sonstigem“ gegenüber. Doch auch die Emissionen im Straßenverkehr spielten bei der Bilanz eine Rolle, wobei hier die Autobahn A 5 mitgerechnet werde. Sämtliche Daten können über die Website des Rhein-Neckar-Kreises eingesehen werden. „2019 ist nicht so brutal aktuell – haben Sie ein Gefühl dafür, wo wir aktuell stehen?“, hakte ein Teilnehmer nach. Kolbe versprach, die entsprechenden Daten aus dem Marktstammdatenregister auszuwerten und zur Verfügung zu stellen.

Da sowohl die Wärmeversorgung als auch die Mobilität zukünftig stark strombasiert erfolgten – etwa durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen –, werde der Stromverbrauch stark ansteigen, so Schlemmer. Bei der Photovoltaik auf Dachflächen sieht sie ein großes und bisher noch viel zu wenig genutztes Potenzial. Einsparmöglichkeiten sah sie vor allem bei der Effizienz von Haushaltsgeräten und bei der Beleuchtung. Bei der erneuerbaren Wärme sieht sie die Solarthermie an erster Stelle. Energie aus Biomasse-Festbrennstoffen wie Pellets und Brennholz sei dagegen eine endliche Ressource, die fast ausgeschöpft sei.

Zweidrittel des Energieverbrauchs in Sandhausen macht die Wärme aus. Während es strengere Dämmverordnungen erst seit 1985 gibt, stammten über 80 Prozent der Gebäude aus der Zeit davor. Verbesserungen bei der Heizungstechnik und ein Dämmstandard entsprechend „KfW Effizienzhaus 55“ könnten den Wärmeverbrauch um bis zu 45 Prozent senken. „Das größte Potenzial ist Kreativität“, sagte Kolbe und verteilte Klebepunkte. Im Januar hatte die Gemeinde eine Online-Umfrage vorgenommen und aus der Bürgerschaft erste Ideen für Klimaschutzmaßnahmen gesammelt. Daraus abgeleitet wurden 29 Maßnahmenblätter erstellt, die an den Wänden der Halle aushingen.

Auf ihnen waren verschiedene Felder gekennzeichnet: Start sofort, ab 2024, 2025-2030 und ab 2030. Jeder Teilnehmende bekam 29 rote Klebepunkte, um die Maßnahmen nach Priorität zu gewichten. Ein weiteres Feld stand für die Kategorie „Ich mache mit“ – hier kamen grüne Klebepunkte zum Einsatz. Ganz oben landeten die Themen Klimafreundliche Mobilität, Optimierung der Fahrradinfrastruktur, Kommunales Förderprogramm für private Klimaschutzmaßnahmen, Photovoltaik-Kampagne, Begrünung und Entsiegelung von Flächen, weniger Flächenverbrauch und Erhalt von Freiflächen sowie die Etablierung einer Klimawerkstatt. An neun Thementischen bewiesen die Teilnehmenden ihr Potenzial an Kreativität und verhandelten miteinander angeregt Vorschläge für den Aufbruch ins klimaneutrale Sandhausen. Von Sabine Hebbelmann

RNZ, 12.05.23, Region Heidelberg